Mehr Kohlweisheiten für Grünkohlfans (2)
Man kann es kaum glauben, aber beim Grünkohl(essen) kann man viel falsch machen. Angefangen vom Erntezeitpunkt, über die Wahl der Wurst bis hin zum Benehmen auf einer Kohlfahrt.
Grünkohl braucht den ersten Frost
Alle echten Grünkohlkenner rümpfen die Nase, wenn der Kohl schon vor dem ersten Frost angeboten wird: Der richtige Wohlgeschmack stellt sich nämlich erst nach dem ersten Frost ein. Ein Grund liegt darin, dass die Blattstruktur etwas lockerer und der Kohl damit bekömmlicher wird. Der Hauptgrund ist aber der, dass durch den Frost ein Teil der Kohlenhydrate zu Zucker umgebaut wird. Der Zuckergehalt erhöht sich dabei zum Teil um das Doppelte. Wer glaubt, er könne dies in der Gefriertruhe nachmachen, täuscht sich. Es muss tatsächlich der Bodenfrost sein, der die Geschmacksveränderung verursacht. Ist der Kohl geerntet und wird dann blanchiert und gefrostet, schmeckt er anders als der natürlich gefrorene.
Was hat es mit Pinkel auf sich?
Pinkel ist die typische Grünkohlwurst! Es gibt kein anderes Gericht, in dem diese Wurst zu finden ist. Sie ist quasi nur für den Kohl erfunden worden. Im Norden Deutschlands gehört sie zum Grünkohl einfach dazu. In anderen Gebieten wird auch schon mal eine andere Wurst verwendet. In Westfalen dürfen die Mettendchen nicht fehlen, in Hannover und Braunschweig wird Brägenwurst verwandt, die aber heute meist keinen Brägen (Gehirn) mehr enthält. Das Rezept für die Pinkelwurst hütet jeder Fleischer wie seinen Augapfel. Allerdings können doch Angaben zu dem ungefähren Inhalt gemacht werden. Meist sind folgende Zutaten zu finden: Würfelspeck, Gerstengrütze, Rindertalg, Schweineschmalz, Zwiebeln, Salz, Pfeffer und andere Gewürze. Der Name stammt übrigens von der Hülle um die Wurst. Pinkel wird eigentlich von einem gereinigten Rindermastdarm umgeben, was aber heute immer seltener der Fall ist. Der Mastdarm heißt im Plattdeutschen "Pinkel".
Warum riecht Kohl beim Kochen so unangenehm?
Frischer Grünkohl riecht relativ neutral. Beim Kochen entwickelt er aber den bekannten unangenehmen Geruch, der viele davon abhält, das Vitamin-C-reiche Gemüse zu essen. Der Grund für die "Geruchsbelästigung" liegt in den im Kohl enthaltenen Schwefelverbindungen und Senfölen. Im rohen Kohl können sich die Duftstoffe noch nicht entfalten, weil die Schwefelverbindungen an Zucker gebunden vorliegen. Beim Kochen werden nun im Kohl enthaltene Enzyme aktiviert, die die verzuckerten Schwefelmoleküle spalten. Der Kohl beginnt daraufhin sein typisches Aroma zu entfalten. Je länger die Kochzeit, desto mehr Aromamoleküle werden freigesetzt.
Was ist eine Kohlfahrt?
Eine Kohlfahrt ist ein gemeinsamer Ausflug auf das Land, zu dem ein zünftiges Kohlessen und einige mehr oder weniger lustige "Spiele" gehören. Früher nahmen an den Kohlfahrten ausschließlich Männer teil. Anfangs konnten sich diesen Luxus allerdings nur gut betuchte Kaufleute leisten. Anfang des 19. Jahrhunderts, als der Gründungsboom der Arbeitervereine seinen Höhepunkt hatte, wurden von diesen vermehrt Kohlfahrten organisiert, allerdings immer noch ohne Frauen. Diese drangen erst in den 30er Jahren des 20.Jahrhunderts in die Männerdomäne ein. Das wurde damals allerdings noch recht kritisch gesehen.
"Boßeln"- Langstrecken-Boccia auf der Kohlfahrt
Boßeln gehört zu einer Kohlfahrt wie der Deckel auf einen Topf. Allzu ernst darf dieser "Sport" aber nicht betrachtet werden. Der Spaß ergibt sich meist durch die vorher getrunkene Menge Alkohol. Beim Boßeln wird eine Holzkugel mit möglichst wenig Würfen zu einem vorher festgelegten Ziel geworfen oder gerollt. Es ist also eine Art Langstrecken-Boccia. Sieger ist die Mannschaft, die das Ziel zuerst erreicht hat. Vielleicht ist das Boßeln deswegen in Norddeutschland so beliebt, weil eine der wichtigsten Regeln die ist, dass derjenige, der die Kugel in einen der zahlreichen Gräben geworfen hat, diese auch selbst wieder herausholen muss...

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